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Ein Lückenknüllerkid (männlich).

Engel und Totenbrett:
Vom Standpunkt des Künstlers aus betrachtet

Im Rahmen von Herzers politischem Engagement, insbesondere um die in den 1980er Jahren projektierte Wiederaufbereitungsanlage, ist seinem Schaffen auch ein Stück Kulturgeschichte der Oberpfalz eingeschrieben. Dabei fehlt seinen Arbeiten alles Seichte, was sich in solchen Fällen als gut Gemeintes leicht einschleicht. Herzer konstruiert seine Bildwelten mittels aussagekräftiger Requisiten wie etwa eines Hammers oder einer Schere. Er benutzt sie sowohl als Malwerkzeug wie auch als Bildelement: Mit dem Hammer philosophieren nach eine Wort von Friedrich Nietzsche könnte damit gemeint sein. Ferner der Hammer als Werkzeug, mit dem man Dinge fixiert – oder aber zerstört, was unbrauchbar geworden ist.
Keine rauchenden Schlote hat Herzer in seinem Zyklus „Daniel und die Gebetsmüller“ als Zeitzeuge dokumentiert, keine abgeholzten Wälder oder andere erstarrte Klischees. Nur hier und dort ist ein tot gefahrenes Tier zu sehen, bekniet und betrauert von einer enigmatischen Gestalt. Als eine Art Grabbeigabe erinnert sie an einen kleinen Engel. In der geschnitzten Großform, als eine Art Totenbretter gefertigt von dem Bildhauer Achim Lerche, rückt die figurale Trauergeste ab von solcher Assoziation und hin zu abstrakteren Formen. Sie könnten sich der Silhouette eines Körpers annähern, vielleicht aber auch nur seiner Aura und den Flimmerhärchen einer verlöschenden oder verloschenen Existenz. Das Wort Gebetsmühle steckt in dem Titel, die Wiederholung einer bestimmten Handlung, aber auch das Wortfeld Mühle, Müller, mahlen.
Das tote Tier lässt sich als Opfer begreifen, die Trauerarbeit des Müllers als die Arbeit für ein Stück Brot. Freiem Assoziieren sind hier keine Grenzen gesetzt. Form gewordener Schatten, so könnte man die „Totenbretter“ nennen und sie regen an zu einer Reflexion vorhandener Elemente, Relationen und Strukturen oder eines Scheins, der eine Zeit lang Bestand hat. Auf jeden Fall ist Wolfgang Herzer ein Verfechter der Bewegung. Bis in die tieferen Verästelungen des Unter- und Unbewussten hinein kann er ihre Nebeneffekte und Auswirkungen bildlich benennen. Als roter Faden zieht sich das durch „Schlüsselbilder meines Lebens“. Neben den „Lückenknüllerkids“ und „Daniel und die Gebetsmüller“ ist dies der dritte Zyklus in der Ausstellung.
Zugetan dem vermeintlich Wert- oder Sinnlosem, besteht eine innere Verwandtschaft Herzers mit Joseph Beuys. Ein diskursiver Anarchismus lässt an Ernst Penzoldts „Powenzbande“ denken. Das suchende Element, die tastende Bewegung erinnert an die Art, wie man Englische Gärten in Anlehnung an Vorgegebenes konstruiert. Auch mit den Wanderungen australischer Aborigines hat sich Herzer beschäftigt wie sie Bruce Chatwin in seinem Reisebuch „Traumpfade“ beschreibt.
Im Gespräch lässt Herzer das Stichwort Gelegenheitsdichtung fallen. Ein literarisches Erzeugnis ist damit gemeint, das angesichts seiner ebenfalls oft seichten Ausprägung leicht anrüchig klingen mag. Zumindest wird es vom literarischen Wert her nicht besonders hoch geschätzt. Allerdings hat Gelegenheitsdichtung unter geistesgeschichtlichem Aspekt einen Stellwert und ihre Berechtigung. Dies gilt ganz besonders, wenn sie ein so hohes Reflexionsniveau erreicht. Nicht zu vergessen, dass Erbauungsliteratur als Ausdruck des bürgerlichen Individuums, das sich selbst zu entdecken und auszudrücken begann, gerade im Zeitalter der Aufklärung und der bürgerlichen Emanzipation eine ihrer Hochphasen durchlief. Es lebe die „Gartenlaube“!

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Vor der Ausstellungeröffnung.

Kunst als Fokus und Leitmotiv
Wechsel von Identitäten sorgt für Inspiration

Geburt neuer Welten
Familienleben als Comicstreifen organisiert

Engel und Totenbrett:
Vom Standpunkt des Künstlers aus betrachtet