Logo
 
_ _ _ _ _ n _
picture

Kirchweih Maria Schnee (Lkr. Amberg-Sulzbach)
Wundermann Hermann als literarisches Vermächtnis
Wiesenschaumkraut als Sommerschnee

Als leicht konsumierbare Sommerlektüre kann man Eckhard Henscheids „Maria Schnee“ nicht wirklich empfehlen. Trotzdem gibt es einen Grund, das Buch zu lesen. Denn jetzt naht sie wieder, die Kirchweih in Maria Schnee. Und womöglich ist Hermann, die Hauptfigur aus Henscheids Buch, das Marien-Wunder. Wie ein dickes weißes Kätzchen throne das Kirchlein mitten im Grünen, heißt es in "Maria Schnee". Wer könnte ein schöneres Bild dafür finden?
Dort, wo die Kinder schaukeln, wächst ein Stachelbeer-Strauch. Ist es dieser Busch, unter dem Hermann genächtigt hat? Es heißt zwar, es sei ein Johannisbeerstrauch gewesen, aber schließlich lässt Henscheid ja auch Wiesenschaumkraut im Hochsommer blühen. Da also hat Hermann gelegen, als der Hund ihn am Morgen umschnüffelt. Das weiße Kirchlein blitzt ganz in der Nähe, dazu die gelben Schirme. Kirchweih war gerade nicht, als Hermann erwachte. Zum Essen musste er zurück in die Stadt, und zwar zum Hubmeier alias Hubmann. Dabei ist es gerade jetzt so schön hier, mit dem Kinderlachen, dem Duft von Bratwürsten und der Schaukel, dem Schifferklavier und dem leicht bewölkten Himmel über Atzlricht.

„Auf Anordnung des Trainers berichtete das Mädchen keck und ohne Umstände, es sei jetzt genau sechs Jahre alt und es beherrsche aus der Oper zwei Rollen komplett schon auswendig, den Papageno und die Königin der Nacht. Was er, Hermann, lieber hören möge, frug es eifrig. Hermann war es beinahe, als habe er das Kind heute schon und anderswo gesehen. Sogleich aber verwarf er die Erinnerung als gewiss nur trügerisch und wünschte sich die Königin der Nacht“ (aus E. Henscheid, „Maria Schnee“, Haffmanns Verlag Zürich 1988).


Weich, dem weiblichen Prinzip zugeordnet, so präsentiert sich die Idylle „Maria Schnee“, veröffentlicht 1988 und entstanden aus einer DPA-Meldung des Jahres 1978 als Plot. Im weiteren Kreis schließt sie sich mit „Die Mätresse des Bischofs“ (1978) und „Dolce Madonna Bionda“ (1983) zu einer Art Marientrilogie zusammen. Auch von daher orientiert sie sich eher an weiblichen als an männlichen Mustern.
Abgesehen von der Mariengeschichte, so der Autor, transportiere „Maria Schnee“ auch noch das römische Marienwunder und – nicht zuletzt – ein Portrait der Hubmann-Wirtschaft in Amberg (die inzwischen allerdings piekfein saniert wurde). Das Marienwunder ist laut Recherchen der engagierten Stadtmuseumskuratorin Judith von Rauchbauer auf eine Begebenheit im Alten Rom zurückzuführen. Ein römischer Patrizier namens Johannes habe keine Nachkommen gehabt und sein Vermögen deshalb der Gottesmutter stiften wollen. Auf jenem Hügel, auf dem heute Santa Maria Maggiore steht, fiel daraufhin mitten im Sommer Schnee, so die Legende. Zugleich wurde der Auftrag erteilt, dort eine Kirche zu errichten. In der Folge taufte man viele Kirchen und Kapellen „Maria Schnee“. Auch das Motiv des Blütenstreuens sei darauf zurückzuführen. Maria Schnee in Atzlricht bei Amberg ist aber nicht nur wegen des römischen Wunders Kult, sondern auch wegen des gleichnamigen Buchs von Eckhard Henscheid. Die Maria-Schnee-Kirchweih im August ist deshalb nicht nur für katholische Christen, sondern auch für Pantheisten etwas ganz Besonderes.

picture
"Aus der etwas größeren Entfernung sah jetzt das Kirchlein aus wie ein dickes weißes Kätzchen, welches sehr sanftmütig im Grünen lagerte und alles ruhig wohl besah. Es saß im Gras, als habe es schon immer da gesessen und wolle das auch weiter tun."

Kirchweih Maria Schnee
Gottesmutter in der Hauptrolle

Dem Zeitgeist fern, so fern
Hermann als Sickerwitz