Neuorientierung als Zeichen der Zeit
Maxhütte exemplarisch
SP: Wird die Ausstellung in Sulzbach gezeigt?
Niebler: Da ist schon der Wunsch. Wegen der Dimension, der Größe, haben wir uns dafür entschieden, in Regensburg anzufangen. Dann wird sie aber weiterwandern.
SP: Für die Leute vor Ort, die in der Maxhütte gearbeitet und mit der Fabrik gelebt haben, war die Schließung zunächst einmal ein Verlust.
Niebler: Ja, ein großer. Das kann ich auch verstehen. Für die ist das sicherlich auch bis heute nicht in dem Sinn verarbeitet. Weil das halte ich auch für einen Identitätsverlust dieser Menschen. Die Maxhütte ist ja etwas Exemplarisches. Auf der einen Seite ist sie da, aber sie wird nicht mehr verwendet. Jetzt wollen die einen, dass man sie begehen kann, als Dokument oder als Museum. Die anderen wollen wieder irgendwelche Industriezweige hineinpflanzen. Das sind unterschiedlichste Ideen, die da stattfinden. Das zeigt eigentlich auch erst einmal so eine Ratlosigkeit. Aber so eine Ratlosigkeit kann auch etwas Positives sein.
SP: Im Sinn von Anhänglichkeit?
Niebler: Erst mal ist es sicherlich eine Anhänglichkeit. Dann steht aber auch die Frage dahinter, wie gehe ich mit diesem Erbe um. Das ist auch ein menschliches Erbe. Es ist ja nicht nur Besitztum, sondern es hat etwas mit der Region, mit dem Land zu tun, mit den Menschen, die da gearbeitet haben, und die da auch dran hängen. Und das ist sicherlich auch ein tiefer Umbruch, der alle erst einmal verunsichert. Insofern ist das für mich auch etwas Exemplarisches. Ich schaue ja nur an, ich bewerte ja nicht.
In München fragte mich ein Journalist, ob ich das alles nicht ganz furchtbar fände. Aber das ist ja nicht meine Aufgabe. Dann würde ich nur mit so einer Art Zeigefinger-Fotografie fotografieren. Sondern es geht einfach um dieses „Schau, hier bin ich“.
SP: Wie drückt sich das in ihrer fotografischen Arbeit aus?
Niebler: Ich finde so ganz archaische Dinge sehr wichtig. Im Prinzip ist das eine Gratwanderung, mich selber in ein Verhältnis zu setzen zur Welt. Darum könnte es gehen. Vielleicht sieht man nicht jedes Detail im Bild, aber zumindest kann ich das Gefühl hineinlegen. Das betont Dokumentarische ist auch die Machart. Es ist alles nebeneinander. Man kann sich das alles anschauen. Mit dem menschlichen Auge sehen wir ja nicht alles. Wir sehen nur einen ganz kleinen Punkt scharf und alles andere ist unscharf. Die Fotografie widerspricht dem in wunderbarer Weise. Ein bisschen ist das natürlich auch Glückssache, ob man so ein Gespür für ein Stimmung entwickelt.
SP: Sie haben da einen eher nüchternen Blickwinkel, nicht so einen gefühligen.
Niebler: Ich finde, das allzu Elegische verstellt dann auch wieder etwas den Blick. Dieses Dokumentarische, dieses etwas Zurücktretende ist ja eine Form von Interpretation, nicht? Es ist auch noch einmal etwas anderes, die Bilder dann aktuell zu sehen. Die sind ja sehr groß. Das heißt nicht, dass die Größe über den Inhalt entscheidet, aber das ist noch einmal eine andere Dimension des Zurücktretens. Auch für den Betrachter, ist das eine andere Art, hineingezogen zu werden in das Bild. Ihm werden auch mehr Möglichkeiten gelassen. Wenn das allzu elegisch ist, dann ist auch die Möglichkeit der Spur enger, der man folgen kann. Die Bilder sind in ihrer Art sehr präzise und das hat viele Leute verblüfft.
SP: Macht das den Reiz unbelebter Motive aus?
Niebler: Es sind die Möglichkeiten des Materials, die da zum Vorschein kommen.
SP: Sind Sie technikbegeistert?
Niebler: Fotografie wird vom Inhalt bestimmt. Sie ist aber immer auch Technik in Bezug auf das, was ich ausdrücken will. Das Thema sucht sich also seine Technik.