Schwarz-weiß wie Orca:
Walfischhaus Amberg
Einst Sitz einer Färberei
„Jonam verschlingt ein Walfisch, in dessen Bauch er Gott lobt und anruft.“
„Und wird nach dagen vom Fisch auf Land ausgespien.“
(Inschriften, die am Walfischhaus von Nixe und Ritter vorgezeigt werden.)
Drei Stockwerke hoch erhebt sich das Walfischhaus in der Amberger Löffelgasse. Momentan ist es zwar ein wenig verblasst. Frisch renoviert glänzt der Putz aber in sattem Schwarz und fast so speckig wie ein prall gefüllter Walbauch. Neben weißen Stuckbändern in der Vertikalen lockern Halbfiguren die Fassade auf, die sich alle auf die Geschichte von Jonas im Bauch des Wals beziehen, nachzulesen im Alten Testament (Das Buch Jona).
Es geht darin um Selbstgerechtigkeit, die im Gegensatz steht zur Gnade einer völlig unzulänglichen Menschheit gegenüber. Anscheinend hat Jahwe längst begriffen, was Jonas im Bauch des Wals erst noch lernen muss: Dass selbstgerechte Menschen und Götter, die keine Gnade walten lassen, ihr Leben ganz schön einsam und in großer Abgeschiedenheit fristen. Im Fischbauch denkt Jonas an das sündenbeladene Ninive: „Die da nichtige Götzen verehren, verzichten auf ihr Glück.“ Er betet und darf dann wieder raus aus dem Wal. Folgsam geht Jonas sogar nach Ninive, wo die Menschen auf seine Predigt hin Buße tun, so dass Jahwe die Stadt begnadigt. Jona beschwert sich zwar (lieber hätte er Ninive in Schutt und Asche versinken sehen), wird aber durch ein Gleichnis von höchster Stelle geduldig eines Besseren belehrt.
Aber was hat das alles mit dem Amberger Walfischhaus zu tun? Und wieso hat der konvertierte Jude Samuel Balthasar Hetzendorfer sein Färberhaus ausgerechnet mit Motiven aus der Jonasgeschichte versehen, abgesehen davon, dass sich die breiten Fischkörper mit ihren geringelten Schwänzen ausgezeichnet als optische Stütze für das weit auskragende Dach eignen? Offenbar kursierte lange die Geschichte, dass Hetzendorfer von der Schwarzmeerküste stammte. Wahrscheinlich durfte er dort nicht mehr bleiben, vermutet Heimatpfleger Hans Hummel, der laut eigener Aussage von der mündlich überlieferten Abstammung Hetzendorfers gehört hat. Ein schriftliches Zeugnis dazu wurde bislang nicht aufgefunden. Ab 1670 siedelten sich unter dem toleranten Kurfürsten Christian August aus Wien vertriebene Juden in Sulzbach an. Vielleicht gelangte auch Hetzendorfer über Wien nach Sulzbach. Dort könnte sich sein Schicksal gewendet haben.
Als Konvertit durfte Hetzendorfer schließlich nach Amberg übersiedeln, wo er 1685 ein bereits bestehendes Färberhaus erwarb. 1693 wurde es umgebaut. Dabei brachte man auch den Figurenschmuck an: Zwei Walfische, ein weibliches Nixenwesen und einen Ritter. Im 17./18. Jahrhundert war es üblich, Färberhäuser mit breitem Dachüberstand zum knickfreien Aufhängen langer Stoffbahnen zu versehen. Daraus erklärt sich auch die schwarze Farbe des Putzes: Ein heller Anstrich hätte sicherlich oft erneuert werden müssen. Bleibt die Frage nach den Motiven. Theologisch wird der drei Tage währende Verbleib von Jonas im Fischbauch symbolhaft verglichen mit Tod und Auferstehung Christi. Nicht die Mission von Jonas (seine „Irrfahrt“), sondern das Bekenntnis Hetzendorfers zum Christentum könnte also entscheidend gewesen sein für die Motivwahl, vielleicht aber auch beides zusammen. Auf jeden Fall stieg Bierbrauer und Schwarzfärber Samuel Balthasar Hetzendorfer im Lauf der Zeit zum angesehenen Stadtrat auf, diente also – wie schließlich auch Jonas – dem Gemeinwohl. Und was seinen irdischen Reichtum angeht, spricht das stattliche Walfischhaus ja für sich. Für 650 Gulden hatte es Hetzendorfer erworben, für 2.850 Gulden wurde es 1752 an den Schwarzfärber Josef Rössler aus Neumarkt und dessen zukünftige Ehefrau Barbara Praun verkauft, berichtet Hans Hummel. Mit Rössler ende die Nutzung des Gebäudes als Färberhaus.
(Schwarz-)Färberei
Ab dem 14. Jahrhundert gab es Zusammenschlüsse der Färber in Zünften. Zuvor waren sie der Tuchmacherei zugeordnet. Schwarz und Blau herrschten beim mittelalterlichen Gewand farblich vor. Schwarzfärber hießen auch Schlecht- oder Schlichtfärber, weil sie ihre Ware – im Gegensatz zu den Rotfärbern – für die breite Masse herstellten. Zunächst färbten sie ausschließlich Leinwand, keine Wolle oder gar Seide.
Zur Färberei gehörten Waschen, Beizen, Spülen und Färben. Das vorherige Beizen war nötig für die Fixierung beim Färben. Für die schwarze Farbe wurden Eisensalze, Eisenoxyde und Eisenfeilspäne mit Gerbsäure zu wässrigen Lösungen vermixt. Die Färbetechniken stammten von Färbern aus Ober- und Mittelitalien sowie Flandern.
Näheres zum Putz unter
http://www.baufachinformation.de/denkmalpflege.jsp?md=1988017185940
Vilsstadt auch aus der Luft
Barocker Prachtbau sprengt den Rahmen
Schwarz-weiß wie Orca
Ehrentitel Päpstliche Basilika
Himmlisches Jerusalem oder theatralische Inszenierung?