Barocke Prachtentfaltung
Stiftsbasilika und Klosterbibliothek
Waldsassen
Den Namen „Stiftland“ erklärt eine Legende so: Markgraf Diepold III. von Vohburg schenkte einem Mönch namens Gerwig so viel Land, wie dieser an einem Tag mit seinem Esel umreiten konnte. Tatsächlich stiftete Markgraf Diepold III. im Jahr 1131 das Zisterzienserkloster Waldsassen. Das Deckengemälde der barocken Basilika erzählt die Geschichte von Diepold und Gerwig in Bildern. Es fehlt eigentlich nur eine Szene: Diepold mit Fässchen und Maßkrug beim Verkosten des ersten selbst gebrauten Zoigl-Bieres. Stattdessen sorgt in den Seitenkapellen eine Abordnung heiliger Knochenmänner für das obligate Memento mori wie es eben auch zum Barock gehört. Hier edelsteinbesetztes Brokatgewand, dort leere Augenhöhlen und blanker Knochen: Enger könnten Glanz und Elend nicht bei einander liegen.
Besonders ausdrucksstark sind die Stuckarbeiten und Schnitzereien in der Bibliothek des Klosters, das seit 1864 in der Hand von Zisterzienserinnen ist. Sie unterhalten dort eine Mädchenschule und eine Umweltstation mit Garten. Als Außenstelle der Grenzenlosen Gartenschau 2006 erstrahlt er jetzt im frischen Glanz. Äbtissin Laetitia Ferch unterstützt die Region nach Kräften, auch wenn es um die Vermarktung von „Waldsassner Klosterblutwurst“ geht.
Das 300jährige Bestehen der Stiftskirche wurde 2004 groß gefeiert. Licht und Dunkel kontrastieren in ihrem lang gestreckten Inneren, das unweigerlich eine Sogwirkung auf den düsteren Altar mit einem Gemälde des Gekreuzigten entfaltet. Mit den bescheidenen Kirchlein ländlicher Machart noch frisch im Gedächtnis, wirft uns die monumentale Strahlkraft beinahe um. Im Vergleich zwischen Stadt und Land lässt sich die Bedeutung des Stifts erst wirklich ermessen. Von Waldsassen als geistlichem Zentrum aus wurde das Stiftland bis 1548 regiert, und zwar mit Tirschenreuth als weltlicher Hauptstadt. In der Hochphase des Stifts umfassten seine Ländereien 660 Quadratkilometer. Es besaß Reichsunmittelbarkeit und ab 1350 auch noch eigene Landeshoheit.
Den Grundstein zum Vorläuferbau einer romanischen Basilika hatte 1179 Kaiser Barbarossa gelegt. Die barocke Stiftskirche wurde im Rahmen der Rekatholisierung gebaut. Georg Dientzenhofer wirkte maßgeblich daran mit, wie auch an der Rundkirche Kappel. Frisch renoviert glänzt sie in der Nähe von Waldsassen auf einer Anhöhe. Vielleicht hatte ihre Zwiebeltüre auch Johann Wolfgang von Goethe im Blick, als er am 3. September 1786 von Karlsbad aus zu seiner „Italienischen Reise“ aufbrach. In Bayern stoße einem sogleich das Stift Waldsassen entgegen – köstliche Besitzung der geistlichen Herren, die früher als andere Menschen klug waren. Es liege in einer Teller-, um nicht zu sagen Kesseltiefe, in einem schönen Wiesengrunde, rings von fruchtbaren sanften Anhöhen umgeben (nachzulesen in Goethes Italienischer Reise, gleich ganz am Anfang).