Dornröschenschlaf im „Paradies“
Früher als Tanzlokal eine Institution
Bausubstanz aus der Barockzeit
Band Leader Peter Obermaier, heute Personalrat im Marienkrankenhaus, gerät ins Schwärmen, wenn er von damals erzählt. „Damals“, das waren für ihn die 1970er und 1980er Jahre. Da tourte er mit den „Tornados“ durch den Landkreis Amberg und spielte mit besonderer Vorliebe im „Paradies“ auf.
Ab 1946/47, also gleich nach dem Krieg, wurde das Restaurant an der Amberger Schwaigerstraße zusätzlich als Tanzcafé genutzt. Ein Saal war vorhanden. Getanzt wurde zu Live-Musik, „auch auf der Terrasse, die illuminiert war“, erzählt der einstige Betreiber Kurt Auernheimer. Beim Blättern im Fotoalbum der Familie Auernheimer, - das Ehepaar Kurt und Gabriele war über Jahrzehnte hinweg pulsierendes Herzstück im „Paradies“ -, stößt man auf die „Pinguins“, blutjunge Jazzmusiker mit zurückgekämmten Haaren und mit Fliege am Kragen. Als Jahreszahl ist 1949 vermerkt, und die Kerle erinnern gefährlich an James Dean. Aber natürlich waren sie „von hier“. „Die ham no a richtige Musi gmacht, ohne Verstärker“, findet der gebürtige Augsburger Kurt Auernheimer.
Der Großvater seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau Gabriele hatte das Anwesen im Dezember 1905 mit Mitteln aus dem Verkauf des inzwischen längst abgerissenen „Pfälzer Hof“ (heute Wöhrl) erworben. Der Grund reichte hinauf bis zum Philosophenweg und hinüber bis zum Kirchensteig. Es gab dort genug Weideflächen, die Josef Winkler wegen seines Pferdehandels gut brauchen konnte. 1906 eröffnete die Familie das Restaurant „Paradies“ mit zoologischem Garten, Volksbelustigungen und Kinderspielplatz.
Die Attraktionen waren vermerkt auf einem bogenförmigen Schild, das zwei mächtige Säulen an der Zufahrt überspannte. Die Aufschrift „Paradies“ prangte am treppenförmigen Zwerggiebel auf dem Dach, der zumindest als Zitat noch an die Anfänge des Wirtschafts- und Wohngebäudes erinnert. Diese allerdings verlieren sich im Dunkel der Geschichte. Immerhin ist der Hinweis zu finden, dass der eigentliche Kern aus dem 18. Jahrhundert datiert. Früheste Pläne im Amberger Bauamt stammen von 1858, aus der Zeit, als das kleine Gartenhaus inmitten der Wiesen in Hanglage auf dem Maria-Hilf-Berg zum ersten Mal erweitert werden sollte.
Es geschah dies im Auftrag des Feiherrn von Junker. Als königlicher Appellationsgerichtsrat wollte er sich neben zwei Zimmern parterre und im ersten Stock noch jeweils einen Salon pro Etage gönnen. Umgeben war das Gartenhaus von Krautgärten und Wiesen. Ein Bild im Stadtmuseum Amberg (Abteilung „Ansichtssache“) dokumentiert jene Zeit, als man sich dort – vor den Mauern der Stadt – noch in einer wahren Idylle ergehen konnte. Ein locus amoenus sicherlich. Vielleicht stammt auch schon von daher der Name „Paradies“, auf den Familie Winkler sich später besann.
Vier Fensterachsen und ein barocker Zwerggiebel prägten das ursprünglich völlig symmetrische Erscheinungsbild. Erweitert wurde auf sieben Achsen. Zumindest nach Bauplan blieb die für die optische Gesamtwirkung wichtige Symmetrie zunächst erhalten. Ein Fries unterteilte das Gebäude in der Horizontalen, ein Stufengiebel schmückte die Mitte. Der Eingang blieb wo er war, am rückwärtigen Gebäude nämlich, und nicht an seiner Schauseite. Wann der Eingang dort eingebrochen wurde, ist unklar. Ein weiterer Plan von 1891 verzeichnet ihn bereits unter dem Vermerk „Alte Ansicht“. Er wurde erstellt, als mit dem Anbau eines Wirtschaftssaals der Startschuss für ein Restaurant fiel – eine Ausflugsgaststätte, würde man heute sagen, wo man sich in der Sommerfrische erging. Die Tür an der Schauseite führte nun hinaus auf den Biergarten (später Tanzterrasse) mit von Weinreben überspannter Pergola und Spalierobst an der Hauswand.
In diesem Zustand übernahm Familie Winkler das „Paradies“ – ein „Arbeitsparadies“ auch, wie das Fotoalbum vermerkt. Auf einem der Bilder sind Männer zu sehen, die über Leitern zum Dachfirst der Scheune hinaufsteigen. Man präsentiert sich derb mit Schürze und Kappe, gut gewartetes Werkzeug in Händen. Über ein Stück urbar gemachten Boden zieht ein Haflinger den Pflug, den tatsächlich noch ein Menschlein steuert. Im Hintergrund ragt über altem Buchenbestand die Zwiebel der Bergkirche auf. Ein Szenario, das freilich längst Vergangenheit ist. Die Anbauflächen wurden überbaut mit Villen und Gärten, denn ein Teil des Besitzes wurde in zweiter Generation veräußert. Und wer, der es sich leisten konnte, hätte nicht gern eine Sahneschnitte in dortiger Hanglage erstanden?