Oberpfälzer Wald
Kloster Walderbach
Musizierende Elfen und ein Mond aus Silberfischchen
Am Erker des Barocksaals stehen die hohen Fensterflügel offen. Nach draußen dringt Klavierspiel. Es sind die perlenden Klänge von Claude Debussys „Claire de lune“. Mondschein-Impressionen bei heiter bis wolkig: Ein sommerliches Naturschauspiel draußen, während sich drinnen im Saal die Musik als schimmerndes Gewebe über Fresken und Stuck hinspinnt, atonal zagend zunächst und voller Geheimnis, dann einer jubelnden Auflösung entgegen.
Dem Laien scheint der Vortrag perfekt, getragen vom weichen Anschlag des Mädchens am Flügel. Die blonden Haare hat sie streng zurückgebunden, die Kleidung ist leger. Ihre Lehrerin, die russische Klaviervirtuosin Elena Nesterenko, wartet ab bis der Schlussakkord verklingt. Dann schwebt sie, schön wie Schneewittchen, aus den mittleren Reihen nach vorn zum Flügel.
Beim Spiel einer Passage nicht schon an die nächste denken, sagt sie dem Mädchen. Schließlich will sie den Mondschein hervorzaubern, „Claire de lune“. Diesen gilt es in jedem Augenblick neu heraufzubeschwören, damit das Stück nicht verflacht.
Mondschein, Mondlicht? Zufällig findet sich „Der Englische Patient“ von Michael Ondaatje im Reisegepäck. Versonnener Herbst, Jahreszeit auf der Kippe. Im Buch scheint die Zeit still zu stehen und der Mond wirkt wie ein Symbol dafür: „Das Rauschen der Bäume, das Zerfallen des Mondes in Silberfischchen, die von den Blättern der Astern draußen abspringen."
Nicht im Augenblick schon an den nächsten denken. In Walderbach ist Sommer. Im Garten am Hang, der sich vom Kloster hinunterzieht fast bis zum Regen, haben die Astern noch Knospen. Kein lilablassblaues Memento mori, statt dessen duften die Rosen am Hang. „Eden“ findet sich darunter, dazu die Erklärung „Altes Wort für ‚Paradies’“. Im einen Augenblick nicht schon an den nächsten denken? Vielleicht auch das schon eine Art von Paradies.
