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Der Autor und sein Buch
Die eigene Vergangenheit verstehen

Erinnerung im Fokus der Weltreligionen
Über "Der nächtliche Rat"

Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg
Dževad Karahasan liest aus "Der nächtliche Rat"
11 Jahre am Roman gearbeitet

2004 erhielt Dževad Karahasan den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung. Aus der Begründung der Jury:
"In seinen Romanen und Essays wird das Fremde im Eigenen lebendig, erhebt die Macht der Imagination Einspruch gegen Gewalt, Krieg und Vertreibung. Karahasans Werk steht in der besten Tradition der europäischen Aufklärung. Er setzt auf die zivilisierende Kraft der Toleranz, auf die Fähigkeit zum Dialog, auf den Widerstand des Wortes gegen die Barbarei."
Dževad Karahasan, 1953 im Duvno/Jugoslawien geboren, studierte Literatur- und Theaterwissenschaft in Sarajevo. Er promovierte in Zagreb und lehrte von 1986 bis 1993 Dramaturgie und Dramengeschichte an der Akademie für szenische Künste in Sarajevo. Als führender Schriftsteller Bosniens gelang Karahasan eine Synthese, die Tradition und Moderne sowie Abendland und islamische Welt vereint.


Dževad Karahasan trägt in Sulzbach-Rosenberg ein türkis gestreiftes Hemd zum dunklen Sakko – eine Farbkombination, wie sie vielleicht eher Muslime als Christen als passend empfinden. An die Arbeit am Buch knüpft er die Hoffnung „auch meine unmittelbare Vergangenheit ein wenig zu verstehen. Ein unreflektiertes Leben ist immer noch ein Leben, aber es liegt in der Natur des Menschen, sein Dasein zu reflektieren." Es sei „kein Zufall, dass ich an diesem Buch elf Jahre lang gearbeitet habe. Ich konnte dieses Buch erst schreiben, als ich in der Lage war, meine Emotionen zu entpersonalisieren.“ Karahasan begreift sich als Befürworter des Vielvölkerstaats und als Kritiker des Abkommens von Dayton.
Beim Vortrag verschleift sein Akzent Vokale und Konsonanten. Mimik und Gestik illustrieren seine Geschichte, die als Erzählung aus seinem Mund an Schrecken eher verliert. Symbolhaft wird im Roman das grauenhafte Geschehen geschildert, aber der Autor scheint dem Leben in fast verschmitzter Weise zugetan. Ob man sich die Pflaume als Sinnbild des Lebens, das am Ende des Buches wiederkehrt, blau oder gelb vorzustellen habe? Er erzählt folgende Geschichte von Vater und Sohn: „Welche Frucht ist das?“ fragt der Sohn. „Eine blaue Pflaume“, antwortet der Vater. „Und wieso ist sie dann rot“, wundert sich der Sohn? „Weil sie noch grün ist“, antwortet der Vater.

„Der nächtliche Rat“, erschienen bei „Insel“ 2006; 333 Seiten, übersetzt aus dem Bosnischen von Katharina Wolf-Grießhaber.